In unserem neuen Format “So gesehen” schreiben Tom, Marius und Moritz aus dem Team Match.Report einmal pro Woche über ein gemeinsames Thema. Heute: SchiedsrichterInnen im Amateursport.
Am Wochenende ist es soweit: Ich feiere mein Comeback als Fußballschiedsrichter. Heute will ich über meine Erfahrungen während des Neulingskurs im Sommer berichten.
Bereits 2014 hatte ich mit meinem damaligen Mannschafts- und Vereinskamerad die Eingangsprüfung zum Fußball-Schiedsrichter absolviert. Fehlerfrei wohlgemerkt. Ein paar Jahre hatte ich auch gepfiffen, später legte ich das Ehrenamt nieder. Zeit und vor allem Lust verloren. Diesen Sommer wagte ich den Restart. Seit wir mit Match.Report auf den Lokalsport schauen, sehe ich viele Dinge mit anderen Augen. Zum Beispiel: Das Problem im Recruiting im Ehrenamt. Allen voran: Die Schiedsrichterei. Als jemand, der jeden Tag seinen Senf im Internet über Lokalsport dazu gibt, kann ich nicht über das Fehlen (guter) Schiedsrichter klagen und selbst nicht als Beispiel vorangehen – das dachte ich mir zumindest. Also meldete ich mich bei der Schiedsrichtergruppe Tübingen zum Neulingskurs an.
Als Fußballschiedsrichter erhält man in Deutschland eine Aufwandsentschädigung, die von der Altersklasse und der Liga abhängt, in der man pfeift. Außerdem gibt es Kilometergeld und regelmäßig Schulungsabende, an denen man teilnehmen soll/muss. Was viele nicht wissen: Mit dem Schiedsrichterausweis erhält man in Deutschland kostenfreien Zutritt auf den Sportplatz, auch in der Bundesliga. Ich will ehrlich sein: Bei meiner letzten Neulingsprüfung war das mein Hauptantrieb. Mit meinen anderen beiden befreundeten Schiedsrichtern sind wir damals regelmäßig zu den Heimspielen des VfB Stuttgart gefahren und haben auch einige Auswärtsfahrten zum FSV Mainz 05, FC Augsburg, FC Nürnberg oder zum FC Bayern gemacht. In München sitzt man als Schiedsrichter übrigens auf der Gegengerade in der ersten Reihe.
"Als jemand, der jeden Tag seinen Senf im Internet über Lokalsport dazu gibt, kann ich nicht über das Fehlen (guter) Schiedsrichter klagen und selbst nicht als Beispiel vorangehen."
Zurück zum Neulingskurs im Sommer: Die Kursleiter waren mir noch bekannt und die Abende (traditionell im Sportheim des SV Weiler) waren auch recht unterhaltsam. Bei der Zwischenprüfung war ich leider nicht anwesend. Als ich von der hohen Fehlerquote unter den Neulingen hörte, war ich nicht wirklich positiv gestimmt, die Prüfung zu schaffen. Und dann nahte der Tag. Fazit: Alles halb so wild, wir hatten genug Zeit und die Fragen waren in den meisten Fällen ausreichend gut erklärt. Mit sechs von möglichen zehn Fehlerpunkten bestand ich meine zweite Neulingsprüfung und darf nun wieder als Unparteiischer auf dem Spielfeld stehen.
Am Sonntag wird das das erste Mal der Fall sein. In der B-Jugend trifft Wendelsheim auf Derendingen. Die Schiri-Kluft (die Farbe Schwarz gehört den Schiedsrichtern) leihe ich mir noch von meinem Schiri-Kollegen. Und dann wird’s schon gut gehen. Direkter Freistoß, Vorteil, Abseits oder Pflichtverwarnung: Am Ende geht es darum, wie man auf dem Feld auftritt. Das Regelwissen aus der theoretischen Schulung ist die wichtige Basis, die Wahrheit liegt aber auf dem Platz. Ich bin gespannt und auch ein bisschen aufgeregt.
Viel wichtiger aber ist mir eine Botschaft: Als aktiver Amateurfußballer musste ich mir in den letzten Wochen regelmäßig die Frage gefallen lassen, warum ich denn die Schiedsrichterprüfung absolviert hätte. Ich würde gerne die Gegenfrage etablieren: Warum sollte man nicht Schiedsrichter sein?
Allen ist bekannt: Das Spiel mit dem runden Leder funktioniert nicht ohne Uparteiische. In anderen Sportarten sind Schiri-Quoten innerhalb eines Vereins Pflicht. Ich bin dafür, dies im Fußball auch einzuführen. Schon in der B-Liga vergeht kein Spiel ohne Gemecker. Wenn es mehr Schiedsrichter gibt, gibt es vor allem auch bessere Schiedsrichter.
Und so lange die Schiedsrichterei noch einen derart schlechten Ruf genießt, wird sich daran nichts ändern. Dann bleibt allen Amateurkickern allerdings auch keine Wahl. Lieber schlechte Schiris, als gar keine. Ganz nach dem Motto “Ohne Pfeifen kein Gepfeife”.
Von Moritz Liss