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Das Sportheim des SV Fischingen von Innen; auf einer Leinwand wird die Bundesligakonferenz gezeigt.
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Kreisligafußball in seiner Reinform erlebt man noch beim SV Fischingen. Das 800-Seelen-Dorf beheimatet den gleichnamigen Sportverein, dessen Herrenmannschaft in der Kreisliga B spielt. Ein Bericht.

In Fischingen ist die Fußballwelt noch in Ordnung. Der Verein – seit 2013 wieder in den Niederungen der Kreisliga B2 im Bezirk Nördlicher Schwarzwald – pflegt Amateursport, wie sich Idealisten ihn in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Der Ort gehört zur Stadt Sulz am Neckar und liegt unweit einer Ausfahrt der Autobahn 81. Zufällig verirrt man sich in Fischingen jedenfalls nicht.

Es ist Samstagabend kurz vor 17 Uhr an einem der letzten August-Tage. Es war zuletzt trocken in der Region und im Radio verkündeten die Experten die letzten Sommer-Sonnenstrahlen. „Besser so“ dürfte sich manch einer in Fischingen denken. Der Sportplatz liegt unweit des Neckars und ist landläufig bekannt dafür unter Wasser zu stehen. Heute jedoch nicht. Der Rasen zeigt stellenweise braune Flecken, eher vertrocknet als zu nass ist das Spielfeld beim SVF.

Auf dem Platz machen sich die Mannschaften warm. Links die Gastgeber in Schwarz, rechts die Reserve des SV Eutingen. Kreisliga B2, Bezirk Nördlicher Schwarzwald. Hier wird noch echter Fußball gespielt. Beim Warmschießen treffen beide Mannschaften öfter in oder über den Fangzaun als in die Nähe des Tores. Anschließend bittet Fischingen-Trainer Heiko Herr zur Ansprache auf dem Feld. Herr ist ein kurzgewachsener Mann mit schmächtiger Figur. Seine Stimme dagegen ist furchteinflößend: „Hier gewinnt heute die Mannschaft, die den größeren Willen hat, das Spiel zu gewinnen! Bei diesem Wetter macht keiner Mannschaft Spaß, dem Ball hinterher zu laufen!“

Normalerweise würde die Mannschaft in diesem Moment in der Kabine verschwinden und sich auf das Spiel vorbereiten. Leider gibt es in Fischingen keine Umkleiden direkt am Sportgelände. „Drüben in der Turnhalle ziehen sich die Mannschaften um“, meint einer nur. Der Parkplatz füllt sich und vor dem Sportheim fließen die ersten Liter Bier. Nach der Brandrede von Trainer Herr geht es in die heiße Phase. Kurz über die Stange gehüpft, Begrüßung mit dem Sportheimwirt per Handschlag, Küsschen für die Freundin. Kann losgehen.

„Sportheim betreten mit Kickschuhen verboten“ hängt das obligatorische Schild am Eingang des Fischinger Vereinsheims. Von außen ist das Haus so einladend wie einst die Schrottplatz-Herberge der legendären Ludolf-Brüder. Der Rollladen lässt kein Licht ins Innere Dringen. Die Markise, die an der Außenfassade angebracht ist, hat ihre besten Tage schon hinter sich. Der Blick in den Gastraum lohnt trotzdem: Es warten volle Kühlschränke, Regalwände voller Pokale und das Gefühl, dass dieses Sportheim schon richtig derbe Feste erlebt hat. Das Einzige, was an die moderne Zeit erinnert ist der LCD-Fernseher und die TV-Leinwand die irgendwann einmal angebracht worden sein muss. Es läuft die Schlussphase des ersten Spieltags der Fußball Bundesliga im Fernsehen. Lediglich ein Gast hat sich verirrt. Die wahre Spitzenklasse findet eh draußen in der Kreisliga B statt. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, heute könnte wieder einer dieser Abende werden, wo man erst spät in der Nacht die Sportheimtür von außen verschließt. Unsere Amateure – echte Profis!

Zum Walk-In begrüßt Schiedsrichter Birkan Madran die beiden Mannschaften an der Mittellinie. Spieler tragen die Stutzen bis zum Oberschenkel hochgezogen und streicheln den Rasen mit Betreten des Feldes. Es folgt der gemütliche Gang zum Mittelpunkt. Was jetzt noch fehlt, ist die Champions League-Hymne und in die Kamera winkende Kinder der Einlauf-Eskorte. Große Bühne Kreisliga.

In der sechsten Minute eröffnet Fischingens Spielmacher Nico Klingenstein die Partie. In der Folge eines rüden Fouls an der Strafraumgrenze zeigte der Unparteiische folgerichtig auf den Punkt. Klingenstein ließ sich nicht zweimal lumpen, schickte den Torwart in die rechte Ecke und schob den Ball eiskalt hinter die Linie. Während seine Stürmerkollegen ihm entgegen eilen, dreht sich Klingenstein nur um und sucht den schnellen Weg zur eigenen Hälfte. „Der hat heute noch mehr vor“, hört man vom Spielfeldrand. Der Spielbericht beweist nach der Begegnung das Gegenteil. Fischingen erhöhte vor der Pause noch auf 2:0 und machte damit den Eutinger Anschlusstreffer in der 76. Minute zur Randnotiz. Das Sportheim wartet: Ohne Schuhe – versteht sich.